541 Die Welt dreht sich immer schneller?

In Führungskreisen ist es ein geflügeltes Wort: „Die Welt dreht sich immer schneller“. Begriffe wie VUCA, Disruption oder “agile Strategie” dienen als Erklärungen – oder besser: Ausreden – für die eigene Ziellosigkeit. Doch was, wenn das einfach nicht stimmt? Was, wenn sich die Welt gar nicht so sehr verändert hat, sondern wir nur schlechter geworden sind im Beobachten, Priorisieren und Entscheiden?
Genau das ist meine These hier. Die Botschaft: Die Welt ist heute nicht schneller – sie ist nur anders. Und wer führen will, darf sich nicht auf Ausreden ausruhen.

1. Agilität ersetzt keine Strategie

Viele Führungskräfte meinen heute, sie könnten auf klassische Strategien verzichten. “Wir machen das agil”, heißt es dann. Doch Strategie ersetzt man nicht durch Flexibilität. Eine Unternehmensvision, die nur zwei Jahre in die Zukunft blickt, ist keine Vision. Das ist operative Planung mit einem Etikettenschwindel.
Führen bedeutet, Richtung zu geben – auch und gerade, wenn Unsicherheit herrscht. Ich plädiere klar für langfristiges Denken: Wer keine Strategie hat, der folgt nur dem Tagesgeschäft. Wer führen will, muss die Fähigkeit zur Vorhersage entwickeln und Entscheidungen treffen, die über das Quartal hinaus Wirkung entfalten.

2. Die Welt ist nicht schneller – sie ist saturierter

Anhand von Beispielen aus Medien, Architektur, Automobilbau und Technik argumentiere ich: Der Wandel ist real – aber nicht ungewöhnlich schnell. Filme aus den letzten 30 Jahren wirken heute oft noch modern. Gebäude aus den 1990ern bis heute unterscheiden sich kaum signifikant. Und selbst Autos und Computer sind evolutionär, nicht revolutionär fortgeschritten.

Drei große technische Umbrüche sehe ich in den letzten 25 Jahren: Internet (ca. 1999), mobiles Internet (ab 2009), und Large Language Models (2024). Dazwischen? Viel Kleinkram, aber wenig Fundamentales. Kurz: Die Welt verändert sich – aber nicht in dem Tempo, das oft behauptet wird.

3. Die eigentliche Krise ist die Führungskrise

Wer behauptet, er könne heute keine Strategie mehr formulieren, bekennt in Wahrheit nur seine eigene Orientierungslosigkeit. Statt klare Ziele zu formulieren und diese systematisch zu verfolgen, wird auf VUCA und Komplexität verwiesen. Für mich ist das eine intellektuelle Kapitulation – keine Führung.

Bleiben Sie in Führung

Olaf Kapinski